DER BEAUCERON · GESCHICHTE

Geschichte der Hütehunde
Ich bin Geschichtsfan. Nein, ich weiß nicht, wann welche Schlacht war oder wann wer herrschte, wer mit wem welches Bündnis schloss oder wen erschlagen ließ. Was mich an Geschichte interessiert, ist: Wie haben die einfachen Menschen, von denen die Geschichtsbücher selten schreiben, gelebt? Und wie ihre Hunde? Futée de la Bergerie Chauliac - ehemalige Zuchthündin (harlekin) der Zuchtstätte "du Grand Paturage"
(Bild: U. u. T. Witte)

Die Entwicklung der Hunde des Schäfers war stets von der Wandlung der Schafhaltung abhängig. Nach der sehr alten, traditionellen Art weideten die Schafe in den kargen, von der Landwirtschaft ungenutzten Gebieten. Meist wurden sie den Sommer über auf die Berghänge getrieben, wo sie z.T. ganztägig allein lebten. Da die Landwirtschaft noch breite Streifen ungenutzt ließ, konnte der Schäfer beim Treiben mit den angeleinten Hunden hinter der Herde gehen. Bewacht wurden die Herden von den großen Herdenschutzhunden, wie sie auch heute noch in einigen Teilen Europas bei ihrer Arbeit anzutreffen sind. Schafe hüten war hier im Sinne von Schafe schützen zu verstehen.

Infolge der im 18. Jahrhundert beginnenden maschinellen Herstellung von Tüchern und Stoffen wurde auch die Schafzucht intensiviert. Die Schafe weideten nun auch auf dem Brachland zwischen den Ackerflächen. Sie wurden meist täglich von einem Hirten bei den verschiedenen Bauern eingesammelt, gemeinsam zum Weideplatz geführt und abends wieder in ihre Ställe zurückgebracht. Bon du Grand Paturage beim Kühe treiben
(Bild: U. u. T. Witte,
 Zuchtstätte: "du Grand Paturage") Gleichzeitig wurde die Landwirtschaft durch Einführung von Kunstdünger ausgeweitet. Und auch die Eisenbahn beanspruchte zunehmend mehr ihren Platz. Die Wege zu den Weiden wurden schmaler, schwieriger und häufiger. Der Hirte ging nun vorne, während seine Hunde dafür sorgten, dass die Herde korrekt folgte. Hierfür brauchte der Hirte andere Hunde - Hunde, die die Herde treibend zusammenhalten, sie lenken und beim Weiden von den angrenzenden Feldern fernhalten konnten. Es waren die Hütehunde der Wanderschäferei.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde mit der stetigen Zunahme des Verkehrs nach und nach die Wanderschäferei eingestellt. Die nun aufkommende Koppelschafhaltung verlangte neue Spezialisten, die reinen Hütehunde wie z.B. den Border Collie.


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Herkunft des Beaucerons
Die Herkunft des Beaucerons liegt wie die aller Bauernhunde im Ungewissen. Liest man die früheren Beschreibungen, die sich auf den Beauceron beziehen sollen oder können, so bekommt man kein eindeutiges Bild - weder im Aussehen noch von der Verwendung der Rasse. Sicher gab es auch in Frankreich viele regional verschiedene Schläge von Schäfer- und Bauernhunden, von denen nur wenige herausgegriffen wurden, um sie als Rassehund "rein" zu züchten.

Auf der ersten französischen Hundeausstellung 1863 wurden vermutlich Beaucerons ausgestellt, die wie folgt beschrieben wurden:

"Die am stärksten vertretene Varietät war jene von Hunden starker Größe, mit aufrechten Ohren, schwarz-rotem Fell, alle im Aussehen dem Wolf ähnlich, den sie bekämpfen sollen."

(Willi Schneider, Französische Schäferhunde - Heute, 2003)

"Noch 1883 (...) unterscheidet der Veterinär Pierre Mégnin nur zwei französische Hütehunde, einen, den er mit "Bouvier" bezeichnet und als bis 75 cm groß, mit brauner oder fast schwarzer mittellanger Felldecke und mit falbfarbenen Abzeichen beschreibt (wohl ein Beauceron?) und den "Chien de Brie", dem heutigen Briard nicht unähnlich."

(ebd.)


In der deutschen Literatur werden der Beauceron und der Briard erstmalig in einem Werk von Ludwig Beckmann aus dem Jahre 1894 "Geschichte und Beschreibung der Rassen des Hundes" erwähnt. Er beschreibt den Beauceron als den Größeren der beiden und den Briard als eine Mischung aus Beauceron und Griffon. Bei einer Vorführung
(Bild: A. u. P. Halsdorf,
 Zuchtstätte: "de la Horde des Petits Barons")

Bei der Rassebeschreibung des Louisiana Catahoula Leopard Dog kann man lesen:

"1539 brachten die Spanier ihre Doggen und Windhunde ins heutige Louisiana. Die Indianer nahmen sich der von den Spaniern zurückgelassenen Tiere an. Vermutlich mischten sie sich mit den um die Lager lungernden Rotwölfen. Als 1700 die Franzosen kamen, fanden sie eigentümlich gefleckte Hunde mit hellen Augen vor. Sie selbst brachten Beaucerons ins Land, die man damals zur Wildschweinjagd einsetzte, und sie sollten die Siedler vor den Indianern schützen. Ganz sicher vermischten sie sich mit den einheimischen Hunden und brachten den Merlefaktor mit blauen und gefleckten Augen ein."

Und weiter hinten heißt es:

"Der Catahoula war und ist ein beliebter Farmhund, da er sowohl ein hervorragender Jagdhund als auch Hüte- und Treibhund war. (...) Man sagt, er habe den Geist des Wolfes, die Schnelligkeit des Windhundes, die Stärke des Mastiff und die Bestimmtheit des Beaucerons."

(Eva-Maria Krämer, Der neue Kosmos Hundeführer, 2002)


Zumindest auf Bildern scheint bei dieser Rasse tatsächlich der Beauceron mitgemischt zu haben.

Auch kann man immer mal wieder hören, dass der Beauceron ursprünglich einmal eine Mischung aus Herdenschutzhund und Hütehund gewesen sein soll. Lesen konnte ich dies so noch nicht, allerdings habe ich bei der Beschreibung der Rasse Briard die Aussage gefunden, dass nach der französischen Revolution eine Umstellung vom schützenden Hirtenhund zum wendigeren, kleineren Hütehund stattgefunden haben soll. Diese langsame Wandlung erscheint mir auf jeden Fall plausibler als eine Mischung aus Herdenschutz- und Hütehund. Dies dürfte wohl für viele Hunde der Wanderschäferei gegolten haben. Mit der Veränderung ihrer Aufgaben veränderten sich auch die Hunde. So ließe sich auch erklären, warum in historischen Aufzeichnungen der Beauceron noch als Bekämpfer des Wolfes bezeichnet wurde oder warum seine Größenangaben erheblich schwankten.

Man darf nie vergessen, dass es früher keine Reinzucht der Rassen gab. Gezüchtet wurde, was gebraucht wurde. Und so wundert es eigentlich auch nicht, wenn der eine Hirte oder die eine Region ihren Schwerpunkt mehr auf den einen Aspekt und ein anderer Hirte bzw. eine andere Region ihren Schwerpunkt mehr auf einen anderen Aspekt legte.

1896 erhielten Berger de Brie und Berger de Beauce ihren offiziellen Namen und ihren Standard. Auf den Bildern aus dieser Zeit sehen die Tiere den heutigen Rassen Briard und Beauceron sehr ähnlich.

Doch mit Beginn der Rassehundezucht um die Jahrhundertwende verlor die Schafzucht an Bedeutung, d.h. diese Hunde verloren parallel zur Reinzucht (erneut?) ihre eigentliche Verwendung.

In den Weltkriegen I und II erlitt der Beauceron wie viele andere Hunde das Schicksal von Kriegshunden. Sie wurden zum Drähte ziehen, als Meldehund oder gar als lebende Bomben eingesetzt. Der Bestand der Zuchttiere wurde erheblich dezimiert. In den 50er Jahren waren im französischen Zuchtbuch LOF nur 200 Welpen eingetragen, 1970 waren es bereits 600, seit 1980 haben sich die Zahlen auf über 3.000 Welpen erhöht und klettern seitdem auf fast 4.000 Welpen pro Jahr.

In Deutschland fiel der erste Wurf 1986 in der Zuchtstätte "de la Bergerie Chauliac". In den letzten fünf Jahren haben sich die Welpenzahlen zwischen 60 und 75 pro Jahr eingependelt.


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Regina Rentel · 01. Mai 2003